Sie sind hier

Coronavirus - Rechtliche Hinweise zum Umgang mit COVID-19

Inhalt:
I. Störungen bei der Auftragsabwicklung
II. Ersatz bei angeordnetem Ruhen des Büros
III. Auswirkungen auf Arbeitsverhältnisse

(Der nachfolgende Text basiert grundsätzlich auf einem Text der Bundesarchitektenkammer)
Stand: 12.03.2020

Das Coronavirus führt zu zahlreichen rechtlichen Fragen. Mit den nachfolgenden Hinweisen und Erläuterungen soll, soweit möglich, zur Beantwortung beigetragen werden, wobei auf verschiedene Quellen zurückgegriffen wird. Hierzu gehören der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, die IHK Region Stuttgart, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V. und die Bundesarchitektenkammer. Zu einigen Fragen können derzeit nur vergleichsweise allgemeine Antworten gegeben werden. Für den Fall neuer Erkenntnisse wird dieser Hinweis fortlaufend aktualisiert.

I. Störungen bei der Auftragsabwicklung
Auf die Frage, wer für Ausfälle aufkommt, die unter Berufung auf das Coronavirus entstehen, gibt es leider keine pauschale Antwort, die immer stimmt. Denn vermeintlich ähnliche Einzelfälle sind in wichtigen Details unterschiedlich gelagert. Wer beispielsweise einfach Termine innerhalb Deutschlands mit der Begründung absagt, wegen des Coronavirus seien Reisen unmöglich, kann sich aktuell in der Regel nicht auf „höhere Gewalt“ berufen.

Anders kann der Fall liegen, wenn ein Betrieb vom örtlichen Gesundheitsamt unter Quarantäne gestellt wird oder eine Veranstaltung aufgrund einer behördlichen Anordnung abgesagt wird.

Meistens empfiehlt sich bei aktuellen Problemen oder Stornierungen, mit Geschäftspartnern über einen fairen Ausgleich für beide Seiten zu sprechen und sich im Zweifel von Rechtsanwälten beraten zu lassen.

Auch auf die Frage, in welcher Form eine vertragliche „Höhere Gewalt“-Klausel im Zuge der Corona-Krise greift, gibt es die klassische Juristen-Antwort: „Es kommt darauf an.“

Eine international einheitliche Definition des Begriffs der Höheren Gewalt gibt es nicht. Gemeinhin wird damit ein „von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes und auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis“ verstanden. Die Rechtsordnungen der kontinentaleuropäischen Länder und der angelsächsisch geprägten Länder haben dabei ein ähnliches Verständnis des Begriffs. Typischerweise als Höhere Gewalt gelten dabei Ereignisse wie Naturkatastrophen (Wirbelstürme, Erdbeben oder Überschwemmungen), Epidemien, Kriege und politische Unruhen. Ein starkes Indiz für das Vorliegen Höherer Gewalt sind dabei behördliche Maßnahmen und Warnungen.

Bei Vertragsstörungen in Verbindung mit dem Coronavirus kann man derzeit davon ausgehen, dass hier in vielen Fällen Höhere Gewalt vorliegt. Zum einen gibt es eine Vielzahl von behördlichen Maßnahmen (Ausgangssperren in China, eine amtliche Reisewarnung der Bundesregierung, Einstufung der WHO als gesundheitliche Notlage mit internationaler Tragweite). Zum anderen wurde historisch auch im Zusammenhang mit der SARS-Epidemie 2003 oft Höhere Gewalt bejaht.

Höhere Gewalt führt nicht automatisch zu Schadensersatzansprüchen, Aufwendungsersatz oder der Möglichkeit, den Vertrag einseitig mit der Berufung auf Höhere Gewalt zu beenden. Liegt ein Fall Höherer Gewalt vor, so werden in der Regel als Rechtsfolge die Parteien von ihren Hauptleistungspflichten befreit und jede Seite wird verpflichtet, etwaige schädliche Wirkungen des Ereignisses jeweils selbst zu tragen. Zudem sind folgende Rechtsfolgen denkbar:

• Der Vertrag wird im Falle Höherer Gewalt automatisch aufgelöst.
• Vertragspflichten werden erst einmal ausgesetzt und nach dem Ende des außerordentlichen Ereignisses wieder eingesetzt.
• Es gibt eine bestimmte Zeitspanne, innerhalb derer die Vertragspflichten ausgesetzt werden und wenn das Ereignis über eine bestimmte Zeitspanne hinaus läuft, hat jede Partei ein Kündigungsrecht oder der Vertrag wird aufgelöst.

Sowohl die rechtliche Einstufung als Höhere Gewalt als auch die möglichen Rechtsfolgen sind sehr vom Einzelfall abhängig und damit mit einiger Rechtsunsicherheit verbunden. Letztlich kann nur eine gerichtliche Entscheidung oder ein bereits gerichtlich entschiedener vergleichbarer Fall Klarheit bringen. Als Praxistipp empfehlen wir Ihnen deshalb, die Sache einvernehmlich mit Ihrem Geschäftspartner zu klären und dabei die rechtlichen Hinweise zu Höherer Gewalt als Argumentationsgrundlage zu verwenden.
(Quelle Deutscher Industrie- und Handelskammertag, IHK Region Stuttgart)

II. Ersatz bei angeordnetem Ruhen des Büros
Selbstständige, deren Betrieb oder Praxis während einer angeordneten Quarantäne ruht, können nach § 56 Abs. 4 S. 2 Infektionsschutzgesetz neben einer Entschädigung in Geld für ihren Verdienstausfall bei der zuständigen Behörde einen „Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang“ beantragen.
(Quelle Deutscher Industrie- und Handelskammertag)

III. Auswirkungen auf Arbeitsverhältnisse
1. Pflicht zur Arbeitsleistung
Ein allgemeines Recht des Arbeitnehmers, bei Ausbruch einer Erkrankungswelle wie COVID-19 der Arbeit fernzubleiben, gibt es nicht. Für das Eingreifen eines Leistungsverweigerungsrechts wäre es erforderlich, dass ihm die Erbringung seiner Arbeitsleistung unzumutbar ist (§ 275 Abs. 3 BGB). Eine Unzumutbarkeit ist z.B. dann gegeben, wenn die Arbeit für den Betroffenen eine erhebliche objektive Gefahr oder zumindest einen ernsthaften objektiv begründeten Verdacht der Gefährdung für Leib oder Gesundheit darstellt. Das bloße Husten von Kollegen ohne weiteren objektiv begründeten Verdacht oder Anhaltspunkte für eine Gefahr wird dafür wohl nicht ausreichen.
(Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales)

2. Homeoffice
Ein gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers, von zu Hause aus zu arbeiten, besteht nicht. Arbeitnehmer können dies jedoch mit ihrem Arbeitgeber vereinbaren.
(Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales)

Grundsätzlich besteht weitgehend Einigkeit dahingehend, dass umgekehrt ein Arbeitnehmer nicht einseitig in sein Home Office „abgeordnet“ werden kann. Die aktuelle Situation könnte allerdings anders zu bewerten sein. Es entspricht hier gerade billigem Ermessen des Arbeitgebers, wenn er sein
Direktionsrecht zum Schutz des Betroffenen und aller anderen Arbeitnehmer dahingehend ausübt, diese bis auf weiteres zur Arbeit im Home Office zu verpflichten.
(Quelle: Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V.)

3. Vorübergehende Betriebsschließung
Sollte der Arbeitgeber im Fall der Erkrankung einer großen Zahl von Arbeitnehmern den Betrieb nicht aufrechterhalten können, trägt er das Betriebsrisiko, soweit Arbeitnehmer arbeitswillig und fähig sind. Folgende Maßnahmen können helfen, um übermäßige Belastungen abzuwehren:
• Der Arbeitgeber kann in Abstimmung mit dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG Kurzarbeit anordnen, um den Betrieb durch Senkung der Personalkosten vorübergehend wirtschaftlich zu entlasten. Sofern kein Betriebsrat vorhanden ist, kommt Kurzarbeit in Frage, soweit dies einzelvertraglich vereinbart ist.

• Ebenfalls ist der Arbeitgeber in besonderen Situationen, wie z. B. in Notfällen, berechtigt, Überstunden einseitig anzuordnen (BAG, Urteil vom 27.2.1981 – 2 AZR 1162/78). Aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Treuepflicht ist der Arbeitnehmer in diesen Situationen verpflichtet, Arbeiten auch über das arbeitsvertraglich Vereinbarte hinaus zu übernehmen. Unter einer „Notlage“ versteht das BAG eine ungewöhnliche Gefährdung der Betriebsanlagen, der Waren oder der Arbeitsplätze. Darüber hinaus hat das BAG auch die Gefährdung der termingerechten Abwicklung eines Auftrags mit den o. g. Folgen als besondere Situation anerkannt. Der Anordnung des Arbeitgebers darf sich der Arbeitnehmer dann nicht verschließen, wenn der Verzug der Abwicklung vom Arbeitgeber nicht verschuldet ist und der Arbeitnehmer bisher Überstunden geleistet hat.

• Eine Anordnung von Zwangsurlaub dürfte vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung nicht möglich sein. Das Risiko, den Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu können, trägt grundsätzlich der Arbeitgeber. Dem Betriebsrisiko unterfallen insbesondere Auftragsmangel bzw. Betriebsablaufstörungen – sei es durch selbst herbeigeführte oder von außen einwirkende Umstände. Liegt ein Fall des Betriebsrisikos vor, kann der Arbeitgeber den Urlaub nicht einseitig festlegen.

(Quelle: Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände)

4. Arbeitsschutzrechtliche Maßnahmen
Nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) hat der Arbeitgeber die Pflicht, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit gewährleisten und ihm möglich und zumutbar sind.
Der Arbeitgeber kommt seiner gesundheitlichen Fürsorgepflicht unter anderem durch die Aufstellung und Durchführung von „Pandemieplänen“ nach. Konkrete Hinweise hierzu finden sich zum Beispiel im Nationalen Pandemieplan auf der Homepage des RKI https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV.html.

Die Arbeitnehmer sind nach §§ 15, 16 ArbSchG verpflichtet, jede erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit unverzüglich dem Arbeitgeber zu melden und dessen arbeitsschutzrechtlichen Weisungen nachzukommen.

Um z. B. Ansteckungen zu vermeiden, ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer bei Verdacht einer Erkrankung unter Fortzahlung seiner Vergütung einseitig von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen. Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers steht dem nicht entgegen. Der Arbeitgeber ist bei Vorliegen eines sachlichen Grundes berechtigt, den Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung freizustellen.
(Quelle: Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände)

5. Erkrankung des Arbeitnehmers
Ist der Arbeitnehmer infolge der Krankheit arbeitsunfähig, so hat er Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung nach § 3 Abs.1 EFZG. Allerdings kommt ein Entgeltfortzahlungsanspruch nur dann in Betracht, wenn den Arbeitnehmer hinsichtlich der Erkrankung kein Verschulden trifft.

Ein Verschulden wird von der Rechtsprechung angenommen, wenn der Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweisen verstößt. Wie auch im aktuellen Fall des Coronoavirus kommt ein solches „Verschulden gegen sich selbst“ u.a. in Betracht, wenn der Mitarbeiter im Rahmen einer Privatreise gegen eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes verstoßen hat. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitgebers die für die Entstehung der Krankheit erheblichen Umstände im Einzelnen darzulegen. Verletzt der Arbeitnehmer diese Mitwirkungspflichten, so geht dies zu seinen Lasten. Insoweit ist der Arbeitgeber berechtigt, aus einem privaten Auslandsaufenthalt zurückkehrende Arbeitnehmer daraufhin zu befragen, ob sie sich in einer gefährdeten Region aufgehalten haben. Der Anspruch ist dabei regelmäßig auf eine Negativauskunft beschränkt. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, Auskunft über den genauen Aufenthaltsort zu geben.
(Quelle: Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

6. Quarantäne
Gemäß § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) erhält derjenige, der auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 gilt und deshalb einem Verbot im Hinblick auf die Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt, woraufhin er einen Verdienstausfall erleidet, eine Entschädigung in Geld.

Das gleiche gilt für Personen, denen gegenüber eine Quarantäne im Sinne des § 30 IfSG angeordnet und die in einer geeigneten Einrichtung abgesondert werden.

Die Entschädigung bemisst sich gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 IfSG nach dem Verdienstausfall. Als dieser gilt nach Absatz 3 Satz 1 das Netto-Arbeitsentgelt. Es wird für die ersten sechs Wochen gewährt. Dauert die behördliche Maßnahme länger als sechs Wochen, erhalten die Betroffenen vom Beginn der siebten Woche an eine Entschädigung in Höhe des Krankengeldes.
(Quelle: Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.)

7. KiTa./Schulschließungen
Wird die KiTa/Schule betreuungspflichtiger Kinder geschlossen, sind Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um das Kind anderweitig betreuen zu lassen. Gerade bei kleinen Kindern ist das jedoch nicht immer ohne weiteres möglich. Es ist deshalb zu raten, in solchen Fällen das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen und sich z.B. darauf zu einigen, dass der Arbeitnehmer in dieser Zeit von Zuhause aus arbeitet.

Daneben kommt gegebenenfalls eine Anwendung des § 616 BGB in Betracht – soweit die Anwendbarkeit dieser Regelung nicht von vorneherein im Arbeitsvertrag abbedungen ist. Danach verlieren Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Vergütung nicht dadurch, dass sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne ihr Verschulden an der Erbringung ihrer Arbeitsleistung gehindert sind.

Es ist jedoch streitig, ob es sich bei der Schließung einer Kita oder Schule, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, tatsächlich um ein persönliches Leistungshindernis handelt, da es im Grunde jeden treffen kann. Insbesondere wenn die Schließung oder deren Verlängerung mit Vorlauf angekündigt wird, ist § 616 BGB (ähnlich wie bei einem angekündigten Streik in der Kita) nicht einschlägig.

Erkrankt das Kind, gelten die allgemeinen Regeln. Arbeitnehmer haben dann das Recht, eine Freistellung aufgrund der Erkrankung des Kindes in Anspruch zu nehmen. Gesetzlich vorgesehen sind insoweit bis zu zehn Tage pro Kind und Elternteil.
(Quelle: Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und Deutscher Gewerkschaftsbund)