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Hamburgische Ingenieurkammer-Bau zum Stand der Planung für die neue Köhlbrandquerung

In den aktuellen Berichterstattungen zur neuen Köhlbrandquerung vermittelten manche Äußerungen von Politikern den Eindruck, dass der Hauptgrund für die neuerliche Prüfung beider Varianten (Tunnel, neue Brücke) die zu erwartenden noch höheren Kosten als bisher angenommen bei der Tunnelvariante seien und die Beschaffenheit des Baugrunds dafür verantwortlich sei.

So legt die Antwort der Senatorin für Wirtschaft und Innovation, Dr. Melanie Leonhard, auf eine parlamentarische Anfrage in der Hamburger Bürgerschaft (Drucksache 22/12110) nahe, dass es in Bezug auf diesen Punkt eklatante Abweichungen zwischen Machbarkeitsstudie und Vorplanung gegeben habe. Insbesondere wird der sehr unregelmäßige Verlauf der Glimmertonoberfläche mit Höhenunterschieden von mehr als 30 m bis 40 m als Kostentreiber benannt. Diese Rinnenstruktur soll erheblichen Einfluss auf die konstruktiv erforderliche Tiefenlage des geplanten Bohrtunnels gehabt und im Vergleich zur Machbarkeitsstudie zu einer Tieferlegung des Tunnels um 5,4 m zur Sicherstellung der notwendigen Überdeckung des Bohrtunnels geführt haben. Schließlich ergäbe sich daraus eine zusätzliche Tunnellänge von 165 m.

Hierzu ist festzustellen: Die stark unregelmäßige Struktur der Glimmertonoberkante ist spätestens seit dem Bau des nahe gelegenen Tiefdükers Dradenau (Tiefenlage 65 m bis 85 m unter GOK) in den 1980er Jahren bekannt und lässt sich auch anhand der Profile aus dem Bohrdatenportal des Geologischen Landesamtes deutlich erkennen. Sie dürfte also ebenso wenig eine Überraschung gewesen sein wie die Notwendigkeit einer Mindestüberdeckung für einen Bohrtunnel von etwa dem einfachen Maß des Tunneldurchmessers (15,5 m). Bei einer Fahrrinnentiefe von etwa NHN -15 m würde ein Bohrtunnel also im Tiefenbereich ungefähr zwischen NHN -30 m und -45m liegen. Der Glimmerton reicht bis in Tiefen von deutlich mehr als 100 m und wird völlig unabhängig von der angesprochenen Tieferlegung der geplanten Tunnelgradiente um 5,4 m wegen seiner unregelmäßigen Oberflächenstruktur im Wechsel mit quartären Sanden, Kiesen sowie Geschiebemergel vermutlich mehrfach durchfahren. Dem Glimmerton kann dabei nicht ausgewichen werden – schon gar nicht, indem die Gradiente tiefer gelegt wird, wie es ein Redakteur des Hamburger Abendblattes in seinem Beitrag vom 10.06.2023 fälschlicherweise annahm. Glimmerton ist im Übrigen auch kein weicher Boden, wie einige Pressemitteilungen vermitteln wollen, sondern im Gegenteil ein stark eiszeitlich vorbelasteter und besonders fester bindiger Boden. Beim Bau des ersten Abschnitts der U4 in die HafenCity wurde übrigens ebenfalls ein Bohrtunnel in streckenweise sehr ähnlichen Baugrundverhältnissen erfolgreich vorgetrieben. Widerlegt ist damit auch eine im Abendblatt vom 13.06.2023 zitierte Bemerkung, „…dass der Untergrund vielleicht nicht für einen Tunnel geeignet ist,…“.

Da das angebliche Unwissen über den Glimmerton nicht der Grund für Abweichungen zwischen der Machbarkeitsstudie und der Vorplanung gewesen sein kann, ist auch davon auszugehen, dass die an der Vorplanung über eine zukünftige Köhlbrandquerung laut Presse beteiligten Fachleute – allein ca. 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hamburg Port Authority (HPA) sowie ca. 80 externe Ingenieurinnen und Ingenieure – insoweit keine Fehler gemacht haben, so dass die neuerlich angeordnete Prüfung andere Ursachen als die behaupteten mangelhaften Leistungen von Ingenieurinnen und Ingenieuren haben muss.

Nichtsdestotrotz ist angesichts der hohen Kosten für einen Tunnel die Entscheidung von Senatorin Dr. Leonhard vernünftig, jetzt unter anderem auch eine Brückenvariante erneut prüfen zu lassen. Die Begründung jedoch, dass Erkenntnisse über den Baugrund erst jetzt vorlägen und entscheidend zur Verteuerung einer Tunnelvariante beitrügen, ist sachlich – wie oben gezeigt – nicht richtig.

Hinzu kommt die notwendige Transparenz bei der Gesamtdiskussion über die (neue) Köhlbrandquerung. Dies gilt auch für die Begründung der kolportierten erheblichen Differenz in Bezug auf die Kosten eines Tunnels zwischen der Machbarkeitsstudie und dem Ergebnis der Vorplanung in Höhe von brutto 2,1 Mrd. Euro. Da leider die Machbarkeitsstudie nicht öffentlich zugänglich ist, kann auch nicht nachvollzogen werden, ob dort die gleichen Kostenbestandteile wie in der Vorplanung berücksichtigt wurden und ob beispielsweise in der damaligen Machbarkeitsstudie ebenfalls ein entsprechend hoher Anteil für künftige Kostensteigerungen wie im Ergebnis der Vorplanung (brutto 1,3 Mrd. Euro) enthalten war.

Und schließlich ist die Sinnhaftigkeit eines Wechsels des Realisierungsträgers in Frage zu stellen. Ist es wirklich zweckmäßig, die unabdingbare und bisher unbestritten vorhandene bauherrenseitige fachliche Expertise für das außerordentlich komplexe Bauvorhaben, unabhängig von der schließlich befürworteten Lösung, künftig bei der Hamburg Port Authority nicht vollständig zu nutzen und bei der städtischen Realisierungsgesellschaft mühsam, langwierig und kostenträchtig mit ungewissem Erfolg neu aufzubauen?

Die Hamburgische Ingenieurkammer-Bau rät in der Debatte um die Köhlbrandquerung angesichts der komplexen Materie zu rhetorischer Mäßigung und Versachlichung der Debatte. Weiter setzt sich die Ingenieurkammer dafür ein, dass die neuen Untersuchungen für eine Köhlbrandquerung alle Varianten (Sanierung bestehende Brücke, Neubau Brücke oder Tunnel) umfassen und unvoreingenommen und ergebnisoffen erfolgen unter Einbeziehung aller Parameter: Ingenieurtechnische, Wirtschaftliche, Verkehrstechnische, Stadtentwicklungspolitische und Baukulturelle sowie – in Zeiten des Klimawandels von besonderer Bedeutung – auch Fragen der Nachhaltigkeit. Und schließlich: Bei der Planung eines solch bedeutenden, komplexen und teuren Infrastrukturprojekts muss maximale Transparenz und Dialogbereitschaft herrschen und die Hamburger Stadtgesellschaft mitgenommen werden, um einen größtmöglichen Konsens zu erreichen.